Samstag, 1. Dezember 2012

Die glorreiche(n) Elf

Für Hunderttausende Hobbykicker ist es ein Highlight am Wochenende: Das Fußball-Spiel in ihrem Heimat-Verein. In den unterklassigen Ligen schnüren die Amateur-Fußballer Woche für Woche ihre Stollen-Stiefel und gehen auf Tore- und Punktejagd. Einer davon ist Lars Lichtenberg, 24, Lehramtsstudent aus dem südlichen Landkreis Hildesheim. Was treibt ihn an, sich bei Wind und Wetter jedes Wochenende auf dem grünen Rasen herumzutreiben? Der bloße sportliche Ehrgeiz ist es jedenfalls nicht.

Kampf und Krampf in unterster Spielklasse – na und!

Es wirkt wie die gute Miene zum bösen Spiel. Seelenruhig schleicht Lars Lichtenberg, 24, über den Fußballplatz. Aufrechter Gang, den Blick nach vorn gerichtet. Er lächelt. Es ist ein fröhliches Lächeln. Neben ihm gehen seine Mannschaftskollegen vom Fußball-Team TSV Warzen III. Sie wirken kaum minder schlecht gelaunt. Dabei wurden die Warzener soeben von MTV Banteln mit 0:7 vermöbelt. Eine fußballerische Offenbarung - in der 4. Kreisklasse Hildesheim! Tiefer geht nimmer. Es ist die unterste Spielklasse in Hildesheim und die 12. Liga von der Bundesliga an runtergerechnet. Andere würden sich dieses Niveau als Spieler gar nicht erst antun. Schon gar nicht, wenn man vom Gegner so auseinandergenommen wird wie die Warzener. Doch nicht so Lars. Er fiebert jedem Sonntagnachmittag mit großer Vorfreude entgegen. Dann steht meistens ein Punktspiel für Warzen III an.
Eine verschworene Truppe

Für Lars ist TSV Warzen III nicht bloß eine Fußballmannschaft. Es ist mehr. Das Team ist wie eine zweite Heimat für ihn geworden. „Wir sind eine super Truppe. Bei uns stimmt es in erster Linie auf der menschlichen Schiene“, berichtet der Lehramts-Student. „Nach Heimspielen grillen wir häufig zusammen und haben auch sonst eine Menge Spaß abseits des Rasens.“ Er lässt seinen Blick über die laubbedeckte Spielfläche in Banteln schweifen. Das Auswärtsspiel war die letzte Partie des Jahres. „Jetzt freue ich mich unheimlich auf unsere Weihnachtsfeier. Die wird erfahrungsgemäß immer sehr lustig. Das trifft auch auf unser Oktoberfest zu.“

Für den 24-Jährigen ist die intakte Gemeinschaft innerhalb der Mannschaft mindestens genauso wichtig wie das Sportliche. Und das lässt sich auch auf dem Rasen beobachten. Bei den Warzenern läuft und kämpft einer für den anderen. Sie feuern sich immer wieder gegenseitig an. Teaminterne Reibereien und Schuldzuweisungen gibt es ob des desaströsen Auftritts nicht. Beim Gegner trotz des souveränen Sieges erstaunlicherweise schon.  Deren Team schöpft das Wechselkontingent komplett aus und tauscht drei Spieler. Diesen Luxus kann sich Warzen nicht leisten. Auswechselspieler gibt es nicht. Hier muss jeder auf die Zähne beißen und die 90 Minuten irgendwie durchstehen. Einer für alle. Alle für einen.

Team droht Auflösung

Das Resultat: Es hagelt Niederlagen, teils herbe Klatschen. Die Warzener grüßen vom Tabellenkeller in der 4. Kreisklasse. Das alles macht Lars nichts aus. Das Team ist es ihm wert. „Ich bin froh, dass es nicht zweistellig wurde“, sagt Lars nach der Niederlage gegen Banteln. Er lächelt noch immer. 
Doch seine gute Laune könnte ihm bald abrupt vergehen: Die dritte Herrenmannschaft des TSV Warzen steht vor einer ungewissen Zukunft. „Uns droht die Auflösung, da wir oft die gerade erforderlichen elf Spieler beisammen haben. Zudem droht TSV Warzen II der Abstieg in die 4. Kreisklasse und zwei Mannschaften eines Vereins können nicht in derselben Klasse spielen“, so Lars. Wehmut klingt in seiner Stimme mit. Und so könnte die Partie gegen Banteln nicht nur die letzte Partie des Jahres gewesen sein. Womöglich war es sogar die letzte Begegnung von Warzen III überhaupt. Einen „Wechsel“ zur zweiten Mannschaft kann sich Lars nur als absolute Notlösung vorstellen. „Schwierige Entscheidung. Das Gemeinschaftsgefüge in der dritten Herrenmannschaft ist einzigartig. Bei einer Auflösung könnte ich mir unter Umständen vorstellen, für die zweiten Herren zu spielen. Aber wahrscheinlich würde ich den Verein verlassen.“ Dass er erneut in einem Team mit einem vergleichbaren Mannschaftscharakter wie dem von Warzen III spielen wird, daran glaubt auch Lars nicht ernsthaft.

„Das lässt sich aber auch nur schwer toppen“, sagt er. Plötzlich blickt er ernst drein. Er wirkt nachdenklich. Das fröhliche Lächeln ist aus seinem Gesicht gewichen.

 

 

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