Keine Frage, das Jahr 2012 steht ganz
im Zeichen von Karl May: In diesem Jahr wäre der Autor 170 Jahre alt
geworden. Seit Todestag liegt 100 Jahre zurück. Und praktisch auf
den Tag genau vor 50 Jahren, am 12. Dezember 1962, wurde der erste
der seinerzeit beispiellos erfolgreichen Karl-May-Verfilmungen
uraufgeführt („Der Schatz im Silbersee“).
Legenden sterben nie
Es ist doch immer wieder erstaunlich,
wie der Mensch sich selbst überraschen kann. Das kann bei
sportlichen Höchstleistungen passieren, wenn ein Athlet über sich
hinauswächst und ungeahnte Leistungen erbringt.
Oder er schaut einfach mal ins
Fernsehprogramm. Das genügte in meinem Fall bereits.
Da sitze ich in meinem Zimmer und freue
mich wie ein kleines Kind, das gerade sein erstes Fahrrad geschenkt
bekommen hat. Warum? Weil ich kurz zuvor in der TV-Zeitschrift
entdeckt hatte, dass einige Tage darauf gleich vier Winnetou-Filme
nacheinander im Fernsehen ausgestrahlt werden. Ja, richtig gelesen.
Genau die alten Kamellen aus den 60er
Jahren mit Pierre Brice als Apachen-Häuptling und Lex Barker als
sein Blutsbruder Old Shatterhand. Genau die sind es, die mein Herz
höher schlagen lassen. Obwohl sie schon zigfach im Fernsehen liefen
und ich jeden einzelnen schon etliche Male gesehen habe.
Das tut meiner Begeisterung keinen
Abbruch. Nicht mal ansatzweise. Und genau das überrascht mich in
diesem Moment so.
Noch mehr überrascht mich, dass sich
zahlreiche Gleichaltrige ebenfalls für die Leinwandhelden aus dem
letzten Jahrhundert begeistern lassen.
Der Einsatz für das Gute
Woher rührt diese Faszination? Wieso
lösen die verfilmten Werke Karl Mays eine solche Anziehungskraft
aus?
Antworten auf diese Fragen zu finden,
ist verdammt schwer. Jedenfalls für mich. Also für einen, der sich
nicht hauptberuflich der Winnetou-Forschung widmet.
Dennoch lassen
sich mögliche Ansätze finden: Wer verbindet Winnetou und Old
Shatterhand nicht mit der Hoffnung an eine bessere Welt?
Eine Welt, in der
das Gerechte über das Böse siegt. Zugegeben, das trieft nur so vor Schwülstigkeit. Und doch ist ein wahrer Kern dran. Die beiden prägten Werte, die
auch heute noch Gültigkeit besitzen: Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit,
Fairness, Gerechtigkeit.
Nicht
zuletzt deshalb tauche ich all zu gern in die Welt der beiden ein,
sehe mir ein Abenteuer mit den Blutsbrüdern an und lasse für rund
anderthalb Stunden den Alltag hinter mir. Die Filme üben eine
gewisse meditative Wirkung auf mich aus: Nach einem Winnetou-Film
fühle ich mich so entspannt und gelöst wie sonst nur nach einem
fünfgängigen Saunabesuch.
Entspannend wie Sauna
Kein
Wunder also, dass für mich in Winnetou III eine Welt zusammenbrach.
Als ich den Film das erste Mal sah, kullerten die Tränen - wie bei
so vielen anderen auch. Ich war wie traumatisiert von Winnetous Tod.
Es
fühlte sich an, als fiebert man mit großer Vorfreude einem
Sauna-Besuch entgegen und dann kommt statt der wohligen Wärme das
Eiswasserbecken.
Aber
an solche Horror-Szenarien verschwendete mein Hirn beim Studium des
Fernsehprogramms keinen Gedanken. Im Gegenteil: Es ahnte, dass es
demnächst mal wieder Streicheleinheiten für die Seele geben würde.
Zurecht:
Bis auf eine Ausnahme habe ich an jenem Tag keinen der Winnetou-Filme
verpasst. Und nach dem letzten saß ich mit einem Dauergrinsen total
glückbeseelt auf dem Sofa. Das überraschte mich dann überhaupt
nicht mehr.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen