Donnerstag, 13. Dezember 2012

Winnetou-Mania

Keine Frage, das Jahr 2012 steht ganz im Zeichen von Karl May: In diesem Jahr wäre der Autor 170 Jahre alt geworden. Seit Todestag liegt 100 Jahre zurück. Und praktisch auf den Tag genau vor 50 Jahren, am 12. Dezember 1962, wurde der erste der seinerzeit beispiellos erfolgreichen Karl-May-Verfilmungen uraufgeführt („Der Schatz im Silbersee“). 


Legenden sterben nie


Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie der Mensch sich selbst überraschen kann. Das kann bei sportlichen Höchstleistungen passieren, wenn ein Athlet über sich hinauswächst und ungeahnte Leistungen erbringt.
Oder er schaut einfach mal ins Fernsehprogramm. Das genügte in meinem Fall bereits.
Da sitze ich in meinem Zimmer und freue mich wie ein kleines Kind, das gerade sein erstes Fahrrad geschenkt bekommen hat. Warum? Weil ich kurz zuvor in der TV-Zeitschrift entdeckt hatte, dass einige Tage darauf gleich vier Winnetou-Filme nacheinander im Fernsehen ausgestrahlt werden. Ja, richtig gelesen.
Genau die alten Kamellen aus den 60er Jahren mit Pierre Brice als Apachen-Häuptling und Lex Barker als sein Blutsbruder Old Shatterhand. Genau die sind es, die mein Herz höher schlagen lassen. Obwohl sie schon zigfach im Fernsehen liefen und ich jeden einzelnen schon etliche Male gesehen habe.
Das tut meiner Begeisterung keinen Abbruch. Nicht mal ansatzweise. Und genau das überrascht mich in diesem Moment so.
Noch mehr überrascht mich, dass sich zahlreiche Gleichaltrige ebenfalls für die Leinwandhelden aus dem letzten Jahrhundert begeistern lassen.

Der Einsatz für das Gute


Woher rührt diese Faszination? Wieso lösen die verfilmten Werke Karl Mays eine solche Anziehungskraft aus?
Antworten auf diese Fragen zu finden, ist verdammt schwer. Jedenfalls für mich. Also für einen, der sich nicht hauptberuflich der Winnetou-Forschung widmet.
Dennoch lassen sich mögliche Ansätze finden: Wer verbindet Winnetou und Old Shatterhand nicht mit der Hoffnung an eine bessere Welt?
Eine Welt, in der das Gerechte über das Böse siegt. Zugegeben, das trieft nur so vor Schwülstigkeit. Und doch ist ein wahrer Kern dran. Die beiden prägten Werte, die auch heute noch Gültigkeit besitzen: Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Fairness, Gerechtigkeit.
Nicht zuletzt deshalb tauche ich all zu gern in die Welt der beiden ein, sehe mir ein Abenteuer mit den Blutsbrüdern an und lasse für rund anderthalb Stunden den Alltag hinter mir. Die Filme üben eine gewisse meditative Wirkung auf mich aus: Nach einem Winnetou-Film fühle ich mich so entspannt und gelöst wie sonst nur nach einem fünfgängigen Saunabesuch.

Entspannend wie Sauna


Kein Wunder also, dass für mich in Winnetou III eine Welt zusammenbrach. Als ich den Film das erste Mal sah, kullerten die Tränen - wie bei so vielen anderen auch. Ich war wie traumatisiert von Winnetous Tod.
Es fühlte sich an, als fiebert man mit großer Vorfreude einem Sauna-Besuch entgegen und dann kommt statt der wohligen Wärme das Eiswasserbecken.
Aber an solche Horror-Szenarien verschwendete mein Hirn beim Studium des Fernsehprogramms keinen Gedanken. Im Gegenteil: Es ahnte, dass es demnächst mal wieder Streicheleinheiten für die Seele geben würde.
Zurecht: Bis auf eine Ausnahme habe ich an jenem Tag keinen der Winnetou-Filme verpasst. Und nach dem letzten saß ich mit einem Dauergrinsen total glückbeseelt auf dem Sofa. Das überraschte mich dann überhaupt nicht mehr.

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