Mittwoch, 19. Dezember 2012

Pizza-Perversion

80 Millionen - so viele Tonnen Lebensmittel werden jährlich in Deutschland vernichtet. Und die meisten davon sind noch genießbar. „Das kann es doch nicht sein“, hat sich bei Bekanntwerden der Zahlen unsere Beauftragte für Lebensmittelvernichtung, Ilse Aigner, pikiert.
Zurecht: Die Fläche, die für den riesigen Müllberg verwendet wird, könnte man auch sinnvoller verwenden. Etwa, um Atommüll zu endlagern.
Aber wohin nun mit den 80 Millionen Tonnen Lebensmitteln? Die Lösung ist ganz einfach: In die hungrigen Mäuler; packen wir den Biomüll doch einfach auf die Pizza!
Das ist doch eine fantastische Idee: So werden die Lebensmittel recycelt und dem Futterkreislauf gleich wieder zugeführt.
Was will man mehr? Gewisse Einschränkungen muss man dabei eben einfach in Kauf nehmen.

Klassische Pizza Prosciutto? Ade!
Stattdessen wabert dem Konsument ein Cocktail betörender Düfte unbekannter Gewürze entgegen. Von schrumpligen, überpfefferten Bratkartoffeln, die tiefere Falten aufweisen als das Gesäß einer 95-Jährigen. Zusammengefallener Rotkohl, der schlaffer wirkt als das beste Stück eines senilen Gebissträgers bei einer Erektion. Und zähschmelzender Instant-Käse, der so elastisch ist, dass man ihn sich sorglos für einen Bungeesprung von der Golden Gate Bridge um die Beine hätte binden können.

Und das beste: Künstliche Aromen sind jetzt völlig überflüssig. Dafür sorgt schon die fingerdicke Wurst im Pizza-Rand, in deren Haut das bei der Fleischerei übrig gebliebene Schweinemett mit extra viel Zwiebeln von vorgestern hineingepresst wurde.
Mit solchen innovativen Pizza-Kreationen scheint eine klaffende Marktlücke geschlossen worden zu sein. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von den Sterneköchen in deutschen Imbissbuden eine neue Sorte kredenzt worden wäre. Meistens geht das ganz einfach: Ein kurzer Blick in den Kühl- und den Vorratsschrank genügt, um panisch festzustellen, welche Lebensmittel gerade anfangen streng zu riechen oder eine flauschig-weiße Schicht bilden. Dann ist es allerhöchste Eisenbahn, sie schnell noch auf einer Pizza unterzubringen. Im Backofen sterben ja zum Glück alle Bakterienkulturen ab. Und voilà: So schnell hebt man eine neue Sorte aus der Taufe.

In solchen Momenten ärgere ich mich fürchterlich, dass ich früher nicht auf meine Eltern gehört habe („Sieh' zu, dass du was Vernünftiges lernst“). Getreu dem Motto „Besser spät als nie“ habe ich mich dann kürzlich doch als Pizza-Bäcker versucht.
Meine erste Kreation, die Pommes-Pizza „Rot-Weiß“ fand spontan keinen großen Anklang. Vielleicht sollte ich mich erstmal auf saisonale Produkte spezialisieren.
Wie wäre es mit einer schönen Grünkohl-Pizza, wahlweise mit Senf- oder Meerrettich-Grundlage für den Boden, garniert mit einem ordentlichen Stück Schinkenspeck und einer herzhaften Bregenwurst. Der fetten groben, versteht sich.

Ein bisschen Bammel habe ich bloß vor dem Sommer. Für die wärmere Jahreszeit schweben mir eine „Pizzamisu“ mit einer Basis-Schicht Kaffee und amarettogebadeten Löffelbiskuits, überbacken mit einer cremigen Mascarpone-Masse vor.
Oder eine Spaghetti-Eis-Pizza mit einer extra Portion gefrorener Sahne. Einziges Manko: Das Eis fängt schon bei geringen Gradzahlen ziemlich schnell an zu schmilzen und hat mir den ganzen Ofen vollgetropft.
Wenn also jemand unter euch weilt, der eine Idee hat, wie ich den Schmelzpunkt der Eiscreme heraufheben kann, ohne dass dies zu geschmacklichen Einschränkungen bei der Pizza führt, kann er sich gern bei mir melden. Selbstverständlich dürft ihr bei Gelingen auch gern ein Stück davon probieren. In diesem Sinne: guten Appetit!

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