Was ist der Beruf des Journalisten nicht toll: Er arbeitet unabhängig und überparteilich, macht sich mit keiner Sache gemein - auch wenn sie noch so gut ist. Kurzum, der Journalist berichtet mit gebotener Distanz zum Geschehen. Zumindest in der Theorie.
In der Praxis sieht das häufig anders aus: Einige Bürger wollen diese Grundsätze einfach nicht akzeptieren. Für sie sind (Lokal-)Journalisten bloß Sprachrohr der eigenen Interessen.
Wie ein wildgewordener Hühnerhaufen
Es ist Mittwochmorgen. Beim
obligatorischen Dauerlauf gehe ich meinen Arbeitstag schonmal im Kopf
durch: Ein Termin am Vormittag, ansonsten Artikel von
selbstrecherchierten Themen fertigstellen. Eigentlich nichts
Spektakuläres - eigentlich. Tatsächlich kommt natürlich alles
anders.
Ich fühle mich wie im falschen Film:
Um mich herum steht ein halbes Dutzend Frauen und redet wild auf mich
ein. Völlig durcheinander. Sie springen umher wie aufgescheuchte
Hühner. Ich weiß gar nicht wie mir geschieht.
„So geht das nicht! Ich kenne Ihren
Chef, der ist mein Nachbar. Ich werde mich bei ihm über Sie
beschweren“, schimpft eine der Damen. Das tut sie dann auch. Aber
warum?
Verkehrte Welt
Die Damen (und ein weiterer Herr) sind
Vertreter verschiedener lokaler Behörden, Vereine und
Organisationen, die zusammen einen Info-Stand für einen Aktionstag
gegen Gewalt betreuen. Und ich bin der lokale Presse-Fuzzi, der über
sie berichten soll. Schönes Foto und ein paar Zeilen Text sollen es
werden.
Für Ersteres bitte ich ein oder zwei
Damen, mir als „Modell“ zur Verfügung zu stehen. Die zieren sich
aber. „Nein, so geht das nicht. Wenn schon, dann müssen wir alle
auf das Foto.“ Unaufgefordert stellen sie sich sogleich alle
nebeneinander zu einem klassischen Gruppenfoto auf. Na super...
Höflich und einfühlsam versuche ich,
der Gruppe deutlich zu machen, dass ich ein GUTES Foto machen will.
Und nicht eines nach ihren Vorstellungen. „Es ist ihr Job, für
diese Aktion zu werben und mein Job, darüber zu informieren. Und
damit möglichst viele Leute den Artikel lesen, sollte das Foto auch
gut sein.“ Null Reaktion. Ich rede wie gegen eine Wand.
Das Ende vom Lied: Ich mache das Foto
nach den Vorstellungen der Gruppe, aber zusätzlich noch ein weiteres
Bild, so wie ich es für gut halte. Und wenig später darf ich mein
Handeln vor meinem Chef rechtfertigen. Na super...
Presse-Fuzzis als bloße Interessen-Handlanger
Im Grunde ist es ja nichts Neues: Da
wollen sich die Protagonisten eines Artikels mal wieder in die Form
der journalistischen Umsetzung einmischen. Und die Berichterstattung
in eine von ihnen gewünschte Richtung lenken.
Über das ihnen zustehende Maß
versteht sich. Als ich so das in der Redaktion erzähle, zucken die
Kollegen mit den Schultern antworten mir: „Ist doch normal,
passiert uns regelmäßig.“ Und genau da sitzt der Stachel: Das
darf nicht sein!
Der CSU-Pressesprecher Hans-Michael
Strepp musste Ende Oktober zurücktreten, weil er angeblich die
ZDF-Berichterstattung zensieren wollte. Darüber empört sich die
ganze Republik.
Und wenn so etwas regelmäßig in den
Lokalredaktionen passiert, pikieren sich nicht mal mehr die
Redakteure darüber. Soweit ist es also schon gekommen.
„Streppen“ - kein neues Phänomen
Obwohl ich erst am Anfang meines
Berufslebens stehe, kenne ich solche Zwischenfälle zur Genüge. Ob
es der Feuerwehrmann, die Hausfrau oder der Elektrotechniker ist –
sie alle hätten gern den jeweiligen Artikel vor der Veröffentlichung
gern nochmal gegengelesen, „um inhaltliche Fehler gegebenfalls zu
beseitigen.“ Böse Zungen würden behaupten, um den Artikel zu
zensieren. Ihn nach den eigenen Vorstellungen und Intentionen zu
ändern.
Natürlich stoßen sie alle bei uns auf
taube Ohren mit diesem Wunsch. Natürlich ist auch nur ein Bruchteil
der Bürger so dreist, uns um eine Autorisierung zu bitten. Natürlich
ist leider auch, dass genügend Personen uns Pressevertreter als
bloße Handlanger ihrer Interessen verstehen. Als Sprachrohr für ihr
persönliches Anliegen. Aber wehe, wenn wir diesen Vorstellungen mit
unserer Berichterstattungen nicht entsprechen. Dann kann es schnell
so enden, wie im obigen Beispiel. Das hat auch etwas Gutes für sich:
So kann jeder Arbeitstag spektakulär werden.
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