Bei ihnen kann man sich nie sicher
sein, was als nächstes auf einen zukommt. Diese leidvolle Erfahrung
musste auch ich machen...
„Wer montags gut gelaunt und
hochmotiviert zur Arbeit kommt, der muss ein verdammt beschissenes
Wochenende hinter sich haben.“ Wer auch immer dieses Zitat in die
Welt gesetzt hat, der muss ein ganz cleveres Kerlchen gewesen sein.
Denn irgendwie trifft diese Weisheit bei mir immer wieder den Nagel
auf den Kopf. Auch an diesem Montag. Es ist 10.22 Uhr. Wie in
Trance sitze ich am Küchentisch, schaufele mein Müsli in
mich rein und analysiere artig die Montagszeitung.
Der Wachmacher am Morgen
Theoretisch müsste ich schon seit 22
Minuten in der Redaktion sitzen. Offizieller Dienstbeginn ist um 10
Uhr. Aber praktisch hält sich niemand daran. War auch nie ein
Problem. Bis heute: Denn plötzlich klingelt mein Handy. Am Apparat
ist unsere Redaktions-Sekretärin. „Sag mal Christoph, bist du
schon auf dem Weg zur Redaktion?“ „Klar, bin schon unterwegs.“
Von wegen. Das war glatt gelogen. Und
sie hat es gemerkt. Sie ließ mich aber nicht auffliegen, da mein
Chef neben ihr am Telefon stand. Erfahre ich später. Genauso, dass
sie sich bloß fragte, ob ich noch dusche oder schon frühstücke...
„Gut so. Denn du hast ja um 10.45 Uhr
einen Termin.“
Ich schlucke. Das ist doch jetzt ein
schlechter Witz. Mein Puls schnellt gefühlt von 55 auf 180. Ich
versuche, mir nichts anmerken zu lassen.
„Achja? Davon wusste ich zwar nichts,
aber wo ist der denn? Dann drehe ich mit dem Rad gleich um und fahre
gar nicht erst zur Redaktion, sondern gleich zum Termin.“
Kann man dreister lügen? Wohl kaum.
„Wo ist denn der Termin?“ „In der
katholischen Kita, Holstenstraße 59.“
Von der Kita habe ich nicht mal
gewusst, dass sie existiert. Und von der Holstenstraße wusste ich
immerhin, wo sie liegt.
Pleiten, Pech und Pannen
10.45 Uhr, Kita in der Holstenstraße:
Abgekämpft und gerade noch rechtzeitig stürze ich in die Kita. Ich
bin gerettet! Falsch, der Spaß geht erst richtig los. Kein Mensch
weit und breit.
Nur Kinderstimmen im ersten Stock. Ich
gehe hoch. Alle Kita-Kinder und Erzieherinnen sind dort im Kreis
versammelt und singen ein Lied.
Auf den letzten Treppenstufen stolpere
ich und mache mich lang. Zum Glück bekommt es fast niemand mit. Alle
sind in ihre Aufführung vertieft. Ich habe keine Ahnung, was Sinn
der Veranstaltung ist. Nicht mal ansatzweise. Fragend blicke ich in
die Runde und versuche, mir zu erklären, was die da jetzt vorhaben.
Keine Chance. Ich komme mir vor wie im falschen Film.
Auf einmal entdecke ich am anderen
Ende des Raums einen Mann und eine Frau, die fleißig Fotos schießen.
Die hängen sich voll ins Zeug. Knippsen im Stehen, im Knien, im
Hocken. „Wie süß“, denke ich, „da machen sogar etwas
übermotivierte Eltern noch Fotos von den Kleinen.“ Von wegen.
Keine Viertelstunde später erfahre ich, dass das die Kollegen von
den Konkurrenzeitungen Lübecker Nachrichten und Der Wochenspiegel
sind.
Aus Flop wird Hop
Bei einem Pressegespräch nach der
Sing-Einlage der Kinder erfahre ich, weshalb ich eigentlich hier bin.
Ich halte mich bei der Fragerunde vornehm zurück. Mit anderen
Worten: Ich sitze die ganze Zeit mucksmäuschenstill da und staune
über die Fragen der Kollegen. Die beiden sind bestens vorbereitetet.
Pflichtbewusst notiere ich mir alle Antworten und kann mir nach und
nach den Zweck der Veranstaltung erschließen. Geschlagene 60 Minuten
nach Veranstaltungsbeginn bin ich dann im Bilde! Rekordverdächtig.
Und es wird immer besser: In der
Redaktion erfahre ich, das wir die Geschichte dank meiner Infos ganz
groß aufziehen wollen. Heißt im Klartext: Optik Seite 1 plus
Anreißer, große Fortsetzung auf Seite 3. Auch da wieder mit
Seitenoptik.
Steiler Aufstieg eines Volontärs ;)
Der Hammer kommt aber noch: Mit der
Story schaffe ich es erstmals überhaupt mit einem Artikel auf die
Schleswig-Holstein-Seite, die im überregionalen Teil von zwölf
Zeitungen des Verlages landesweit erscheint. Wow! Ich bin echt
sprachlos.
Und mein Chef? Der gibt mir erst einen
Einlauf, dass ich ab jetzt zumindest montags gefälligst immer um 10
Uhr in der Redaktion auf der Matte zu stehen habe. Wenig später
stimmt er enthusiastisch Lobeshymnen auf meine Berichterstattung an.
Vorgesetzte sind eben ganz eigenwillige Geschöpfe.
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