Mittwoch, 14. November 2012

Montag ist Schontag?!

Vorgesetzte sind ganz eigenwillige Geschöpfe. Mal loben sie einen über den Klee, dann wieder kritisieren sie, dass einem ganz schwindelig wird. Mal haben sie geniale Einfälle, mal spielen sie sich nur auf und lassen den Chef raushängen.
Bei ihnen kann man sich nie sicher sein, was als nächstes auf einen zukommt. Diese leidvolle Erfahrung musste auch ich machen...



„Wer montags gut gelaunt und hochmotiviert zur Arbeit kommt, der muss ein verdammt beschissenes Wochenende hinter sich haben.“ Wer auch immer dieses Zitat in die Welt gesetzt hat, der muss ein ganz cleveres Kerlchen gewesen sein. Denn irgendwie trifft diese Weisheit bei mir immer wieder den Nagel auf den Kopf. Auch an diesem Montag. Es ist 10.22 Uhr. Wie in Trance sitze ich am Küchentisch, schaufele mein Müsli in mich rein und analysiere artig die Montagszeitung.

Der Wachmacher am Morgen


Theoretisch müsste ich schon seit 22 Minuten in der Redaktion sitzen. Offizieller Dienstbeginn ist um 10 Uhr. Aber praktisch hält sich niemand daran. War auch nie ein Problem. Bis heute: Denn plötzlich klingelt mein Handy. Am Apparat ist unsere Redaktions-Sekretärin. „Sag mal Christoph, bist du schon auf dem Weg zur Redaktion?“ „Klar, bin schon unterwegs.“
Von wegen. Das war glatt gelogen. Und sie hat es gemerkt. Sie ließ mich aber nicht auffliegen, da mein Chef neben ihr am Telefon stand. Erfahre ich später. Genauso, dass sie sich bloß fragte, ob ich noch dusche oder schon frühstücke...
„Gut so. Denn du hast ja um 10.45 Uhr einen Termin.“
Ich schlucke. Das ist doch jetzt ein schlechter Witz. Mein Puls schnellt gefühlt von 55 auf 180. Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen.
„Achja? Davon wusste ich zwar nichts, aber wo ist der denn? Dann drehe ich mit dem Rad gleich um und fahre gar nicht erst zur Redaktion, sondern gleich zum Termin.“
Kann man dreister lügen? Wohl kaum.
„Wo ist denn der Termin?“ „In der katholischen Kita, Holstenstraße 59.“
Von der Kita habe ich nicht mal gewusst, dass sie existiert. Und von der Holstenstraße wusste ich immerhin, wo sie liegt.

Pleiten, Pech und Pannen


10.45 Uhr, Kita in der Holstenstraße: Abgekämpft und gerade noch rechtzeitig stürze ich in die Kita. Ich bin gerettet! Falsch, der Spaß geht erst richtig los. Kein Mensch weit und breit.
Nur Kinderstimmen im ersten Stock. Ich gehe hoch. Alle Kita-Kinder und Erzieherinnen sind dort im Kreis versammelt und singen ein Lied.
Auf den letzten Treppenstufen stolpere ich und mache mich lang. Zum Glück bekommt es fast niemand mit. Alle sind in ihre Aufführung vertieft. Ich habe keine Ahnung, was Sinn der Veranstaltung ist. Nicht mal ansatzweise. Fragend blicke ich in die Runde und versuche, mir zu erklären, was die da jetzt vorhaben. Keine Chance. Ich komme mir vor wie im falschen Film.
Auf einmal entdecke ich am anderen Ende des Raums einen Mann und eine Frau, die fleißig Fotos schießen. Die hängen sich voll ins Zeug. Knippsen im Stehen, im Knien, im Hocken. „Wie süß“, denke ich, „da machen sogar etwas übermotivierte Eltern noch Fotos von den Kleinen.“ Von wegen. Keine Viertelstunde später erfahre ich, dass das die Kollegen von den Konkurrenzeitungen Lübecker Nachrichten und Der Wochenspiegel sind.

Aus Flop wird Hop


Bei einem Pressegespräch nach der Sing-Einlage der Kinder erfahre ich, weshalb ich eigentlich hier bin. Ich halte mich bei der Fragerunde vornehm zurück. Mit anderen Worten: Ich sitze die ganze Zeit mucksmäuschenstill da und staune über die Fragen der Kollegen. Die beiden sind bestens vorbereitetet. Pflichtbewusst notiere ich mir alle Antworten und kann mir nach und nach den Zweck der Veranstaltung erschließen. Geschlagene 60 Minuten nach Veranstaltungsbeginn bin ich dann im Bilde! Rekordverdächtig.
Und es wird immer besser: In der Redaktion erfahre ich, das wir die Geschichte dank meiner Infos ganz groß aufziehen wollen. Heißt im Klartext: Optik Seite 1 plus Anreißer, große Fortsetzung auf Seite 3. Auch da wieder mit Seitenoptik.


Steiler Aufstieg eines Volontärs ;)


Der Hammer kommt aber noch: Mit der Story schaffe ich es erstmals überhaupt mit einem Artikel auf die Schleswig-Holstein-Seite, die im überregionalen Teil von zwölf Zeitungen des Verlages landesweit erscheint. Wow! Ich bin echt sprachlos.
Und mein Chef? Der gibt mir erst einen Einlauf, dass ich ab jetzt zumindest montags gefälligst immer um 10 Uhr in der Redaktion auf der Matte zu stehen habe. Wenig später stimmt er enthusiastisch Lobeshymnen auf meine Berichterstattung an. Vorgesetzte sind eben ganz eigenwillige Geschöpfe.

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