Freitag, 10. Januar 2014

Gut recherchiert ist halb gewonnen

Ist es nicht herrlich: Pünktlich zu jedem Jahreswechsel stellen die Menschen fest, an welchen Teilen ihres Lebensstils sie sich in den vergangenen 365 Tagen gestört haben und was sie daran ändern wollen.
Blöd nur, dass am Neujahrstag die meisten mit Matschbirne aufwachen und sich an die guten Vorsätze nicht mehr erinnern können. Und der Rest schießt die Vorsätze spätestens zwei, drei Wochen später zum Mond – denn so schlecht war das alte Leben auch nicht.

Lebensweisheiten der Redaktions-Ältesten


Zugegeben, das kommt mir bekannt vor. Aber dieses Jahr gebe ich meine Vorsätze nicht so schnell auf. Wirklich nicht. Ich habe ich mir nämlich unter anderem vorgenommen, auf den zweiten weisen Kollegen in meiner Redaktion zu hören.
In Sachen neunmalkluge Sprüche steht der meinem Chef nämlich in nichts nach. Ihr wisst schon, das ist der mit dem schönen Satz „Termin-Journalismus ist nicht ganz ungefährlich, weil uns Journalisten oft eine Wahrheit vorgegaukelt wird“. 
Eine ähnlich poetisch ausgeprägte Ader hat auch besagter zweite Redaktions-Weise. Er sagte neulich sinngemäß: „Eine gute Recherche ist die wichtigste Grundlage für einen fundierten und fehlerfreien Artikel.“
Klingt doch total easy, oder? Fand ich auch. Jedenfalls bis ich wenige Tage später beim Verfassen eines Artikel mit dem inhaltlichen Anspruch einer RTL II-Nachmittagssendung einen Riesenbock landete.
Wie das passieren konnte? Ich sage nur: „Eine gute Recherche ist die wichtigste Grundlage…“  bla bla bla.

Halbwissen ist tödlich

Da begleitet mich einer unserer Pressefotografen zu einem  Termin. Die Arbeitsteilung ist klar wie Kloßbrühe: Er macht die Bilder, ich kümmere mich um den Text. Denkste.
Denn der Fotograf hat in der Hektik vergessen, die fünf Pappnasen auf dem Bild nach ihren Namen zu fragen. Und ich kenne keinen einzigen davon. Mein Chef aber schon. Und der sitzt zum Glück in der Redaktion genau neben mir.
Aber einer der Namen will ihm partout nicht einfallen. Und ausgerechnet den bräuchte ich am dringendsten, da ich den Typ (immerhin ist er Standortältester der Bundeswehrschule für Strategische Aufklärung für den Standort Flensburg/Glücksburg) auch kurz im Artikel erwähnen möchte.
Hätte ich mal aufgepasst und mitgeschrieben, als er sich vorstellte. Hätte, hätte, Fahrradkette...
Zudem ist es abends und die Zeit drängt wegen des Redaktionsschlusses. Um die Uhrzeit sind Fotograf und Standortältester telefonisch natürlich nicht mehr zu erreichen, wie sich herausstellt.

Selbst der Chef ist nicht unfehlbar


Aber halb so wild. Nicht verzagen, Chefchen fragen, lautet die Devise. Wie gut, dass der plötzlich wieder zu wissen glaubt, wie der Standortälteste heißt.
Ich knall schnell den Namen in den Artikel. Puh, Problem gelöst. Falsch gedacht. Denn einerseits habe ich den werten Herrn zum Standortältesten der Marineschule gemacht. Die liegt zwar direkt neben der Bundeswehrschule für Strategische Aufklärung, aber knapp daneben ist auch vorbei.
Und der Name war natürlich falsch. Das weiß ich, seit der aktuelle Standortälteste mich tags darauf wutentbrannt anrief.
Der Name, der meinem Chef wieder einfiel, war der vom Vorgänger. Und der ist seit zwei Jahren im Ruhestand. Ups…
Ganz klare Panne der Kategorie: Kann passieren, darf aber nie passieren.
Kein Wunder also, dass ich mich selbst am Neujahrstag lückenlos an dieses Malheur erinnern konnte. Ein eindeutiges Indiz dafür, dass ich den Vorsatz der besseren Recherche so schnell nicht aufgeben sollte.

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Schöne Bescherung



Im Grunde ist Weihnachten doch nichts anderes als ein einziges Pulverfass, na sagen wir, zumindest ein Überraschungs-Ei: Wenn die in aller Herren Länder verstreut lebenden Angehörigen zur Familiensause für ein paar Tage nach Hause kommen, dann prallen Welten aufeinander – mit dem Ergebnis, dass alle froh sind, wenn Weihnachten vorüber ist. Blöd nur, wenn dieser Zustand schon vor dem eigentlichen Fest erreicht ist und die Familientreffen erst noch bevorstehen.

Wie im Drogenrausch


Wie wäre dieses Ehemaligentreffen meines Abi-Kurses bloß ohne Dampfplauderer Moritz* gelaufen? Wie ein Senioren-Kaffeekränzchen in stocksteifer Spießer-Atmosphäre mit aufgesetztem Dauergrinsen? 
Als feucht-fröhliche Nostalgie-Runde, bei der jeder hofft und bangt, dass keine peinlichen Verfehlungen von früher auf den Tisch kommen? Oder als Selbsthilfegruppe, bei dem die Abi-Traumata gemeinsam aufgearbeitet werden? Wer weiß das schon. 

Ganz sicher aber war es gut, dass unser Super-Bulle nicht dabei war. Andernfalls hätte Polizeikommissar Max an dem Abend vermutlich sofort einen Drogentest veranlasst. 
Zumindest bei Moritz. Denn dessen Verhalten war allein mit legalen Aufputschmitteln nicht mehr zu erklären. „Egal, was er genommen hat, er hat bei der Dosis definitiv übertrieben“, raunte mir ein früherer Mitschüler während des abendfüllenden Monologs von Moritz zu. 

Schlimmer gehts nimmer?!?


Getreu dem Mutti-Merkel-Motto im jüngsten Bundestagswahlkampf „viel reden, aber nichts sagen“ plauderte er völlig aufgedreht über jedes erdenkliche Detail seines Lebenslaufs. So kennen wir nicht nur den Namen seiner Freundin, sondern auch deren Körbchengröße. 
Danke dafür, Moritz. Denn bei dem Fremdschäm-Faktor kann selbst der Frauenlästerer Nummer 1, Comedian Mario Barth, nicht mithalten. 

Und die Verwandtschafts-Treffen an den Weihnachtstagen können dies schon gar nicht. Kein Wunder also, dass im Laufe des Abends bei den meisten von uns die Vorfreude auf das Fest stieg – denn schlimmer kann es dann auch nicht werden. Danke dafür, Moritz.

* alle Namen geändert



Mittwoch, 27. November 2013

Lügen haben kurze Beine

Ja, ich weiß, allein schon für diese Überschrift müsste ich fünf Euro ins Phrasenschwein einzahlen. Aber in diesem Fall passte der Spruch einfach wie die Faust aufs Auge - weil die Beine besonders kurz waren.  

Woran erkennt man einen weisen Mann? Richtig, an seinem biblischen Alter, seinen grauen-weißen Haaren und seinen neunmalklugen Sprüchen. Ersteres trifft auf meinen Chef zwar (noch) nicht zu, aber was sein Haar angeht, gibt es selbst unter Farbenblinden keine zwei Meinungen.
Auch am Weisheits-Niveau seiner Sprüche gibt es nichts zu deuteln . Aus seinem Mund stammt der sinngemäße Satz „Termin-Journalismus ist nicht ganz ungefährlich, weil uns Journalisten oft eine Wahrheit vorgegaukelt wird.“ Und Recht hat der gute Mann.

Die Mär vom spendablen Mäzen

Diese Erfahrung habe auch ich kürzlich gemacht: Da hat sich der Senior-Chef eines großen deutschen Unternehmens quasi zum Mäzen eines ganzen Bundeslandes aufgeschwungen und spendierte meiner neuen Heimatstadt eine 15 Meter hohe Nordmanntanne.
Die darf während der Weihnachtszeit den Marktplatz zieren. Und weil es dem romantischen Bild des spendablen Mäzens entspricht,  stammt dieses Prachtexemplar von Tanne natürlich aus dessen naturbelassenem Forst. Das jedenfalls impften mir sein Pressesprecher und dessen Gehilfe während des Baumaufbaus wie einem Demenzkranken wieder und wieder ein.
Und dies mit so viel überschwänglichem Lob und schmalzigem Kitsch versehen, dass es für mindestens zwei Rosamunde-Pilcher-Filme reichen würde. Immerhin weiß ich seitdem, dass Männer auch multiple Orgasmen bekommen können – und das ganz ohne Sex.
 

Wahrheit währt am längsten

Blöd nur, dass der Höhepunkt offenbar zu früh kam: Denn am Nachmittag ruft ein Mann (der erfrischend  nüchtern-sachlich klang) in der Redaktion an und wütet wie die Axt im Walde in der rosaroten Nordmanntannen-Welt des erwähnten Pressesprechers.
Mit anderen Worten: Er wolle mitteilen, dass die Tanne gar nicht aus dem Mäzen-Forst stammt, sondern aus seinem Garten. Er habe aber dem Mäzen erlaubt, den Baum zu fällen, um ihn als großzügige eigene Spende meiner neuen Heimatstadt zu vermachen.
Interessant…  Auf diesen Fauxpas angesprochen, weiß der Pressesprecher von nichts. Welch Überraschung!
Sein Gehilfe, der beim Baumaufstellen in ähnlicher Manier von der Prachttanne schwärmte, ist am Telefon geschwätziger: Merklich bedröppelt räumt er ohne Umschweife ein, dass die Tanne tatsächlich aus dem Garten des Anrufers stammt. So was aber auch.
Und es kommt noch besser: Keine fünf Minuten später ruft er mich an: „Mir ist da noch etwa eingefallen…“ Aha!
Keine fünf Minuten später ruft er ein zweites Mal an: „Wo ich schon dabei bin, will ich doch die ganze Wahrheit erzählen.“ Wird ja immer besser.
Ende vom Lied: Ich darf den ganzen Artikel an verschiedenen Stellen überarbeiten, er gleicht danach einem Flickenteppich. Das ist ärgerlich, aber dafür entsprechen nun alle Infos (hoffentlich) der Wahrheit. Und nicht nur der Wahrheit, die mir und den Lesern vorgegaukelt werden sollte. 

Montag, 18. November 2013

Aus dem Abseits geholt

Herzlichen Glückwunsch, Sport 1! Seit 18 Jahren läuft er bei dem Fernsehsender einmal wöchentlich, der Fußball-Talk „Doppelpass“. Am Sonntag wurde die 750. Folge ausgestrahlt.

Bemerkenswert für eine Sendung, die an Fußpilz erinnert: Beides ist plötzlich da und keiner weiß warum. Beide sind lästig und man ist froh, wenn es vorbei ist. Aber was wäre (Fußball-) Deutschland ohne „Doppelpass“?

Jedenfalls um einige Arbeitslose reicher. Denn seit 18 Jahren bietet Sport 1 (vormals DSF) frustrierten Bundesliga-Auslaufmodellen, die mit ihrer Freizeit nichts anzufangen wissen, wieder einen Sinn im Leben.

Aufbauhilfe für gescheiterte Sportlerpersönlichkeiten


So wie Lothar Matthäus, der den Übergang vom Fußball zum Taschenbillard nahtlos gemeistert hat, aber keine paarungswilligen Heranwachsenden mehr ausfindig machen kann (dem demographischen Wandel sei Dank). Oder Thomas Strunz, dem plötzlich die eigene Frau davongelaufen ist (Stefan Effenberg sei Dank).

Wie gut, dass solch erschütternden Schicksale den Wohlfahrtssender Sport 1 auf den Plan gerufen haben, mit „Doppelpass“ einen Abenteuer-Spielplatz in geschützter Atmosphäre anzubieten. Unter Aufsicht vom solariumverbrannten Falten-Opa Jörg Wontorra, mit dem sich die abgehalfterten Sportler nach Herzenslust austoben können. Wontorra, der moderne Seelenklempner – ein Erfolgsmodell.

Blöd nur, dass Sport 1 dieses Sendeformat bislang nur für den Fußball anbietet. Denn sonst würde Boris Becker sicher nicht mehr mit Fliegenklatschen an den Ohren durch die TV-Landschaft torkeln.  

Montag, 16. September 2013

Ohne Rücksicht auf Verluste

Peer Steinbrück kann aufatmen. Nein, die Bundestagswahl hat er noch nicht überstanden. Aber wenigstens ist nur eine knappe Woche nach Bekanntwerden des Erpressung-Versuches die Sache aufgeklärt. Der mutmaßliche Täter hat sich der Polizei gestellt. Und er scheint mit einem blauen Auge davonzukommen, schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft laut Süddeutscher Zeitung lediglich wegen „versuchter Nötigung.“ Also Ende gut, alles gut? Von wegen! Denn der Umgang der Medien mit der Identität des vermeintlichen Erpressers ist alles andere als vorbildlich.

Intimsphäre über Nacht verloren


Der Name Hermann Ude war bis zum Wochenende den wenigsten bekannt. Weit gefehlt, wer dachte er der kleine Bruder des Münchener Oberbürgermeisters sei. Nun wissen wir, dass Ude 52 Jahre alt ist, ehemals Büroleiter des wegen Steuerhinterziehung zurückgetretenen Post-Chefs Klaus Zumwinkel, dann bis 2011 Vorstandsmitglied der Post war, das Unternehmen überraschend verließ und er die Steinbrücks kennt: Seine Kinder besuchten jene Schule, an der Steinbrücks Frau bis zum Sommer unterrichtete. Wie Ude aussieht, wissen wir dank Focus Online nun auch. Klasse, die Leser dürften zufrieden sein.

So berichtete Focus Online über Hermann Ude.
Aber sind all diese Informationen überhaupt für die Öffentlichkeit relevant? Hätte es nicht gereicht mitzuteilen, dass es sich bei dem Erpresser um ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Post handelt – auch wenn er eine Person des öffentlichen Lebens ist oder war? Wird dem Beschuldigten durch diese identifizierende Berichterstattung langfristiger Schaden in seinem sozialen und beruflichen Umfeld zugefügt? Diese Fragen haben sich offenbar die allerwenigsten Medien gestellt. Obwohl dies bitter nötig gewesen wäre. Wer einmal ins mediale Kreuzfeuer geraten ist, ob zurecht, unzurecht oder gar irrtümlich, wird es sehr schwer haben, seinen Ruf jemals wieder herzustellen. Jörg Kachelmann kann ein Lied davon singen.

Kapitalismus kommt vor Moral

Egal, ob Süddeutsche Zeitung, Spiegel Online, Bild Online, Focus Online oder gar tagesschau.de – sie alle haben zumindest den Namen des vermeintlichen (!) Erpressers erwähnt, fast alle sogar noch weitere Details aus Udes Lebenslauf ausgeplaudert. Und damit haben selbst die seriösen Vertreter der Branche sämtliche medienethische Maßstäbe über Bord geworfen, getreu dem Motto: Hauptsache, die Kasse klingelt oder die Klickzahlen stimmen. Denn mit dieser Art Journalismus wird der menschliche Voyeurismus-Trieb. Natürlich wollen die Leser oder Zuschauer erfahren, wer die Person ist, die Steinbrück so kurz vor der Wahl erpresst hat. Die Faustformel für die Medien ist daher ganz einfach: Je mehr Infos sie von dem Erpresser preisgeben, desto attraktiver machen sie sich für die Rezipienten. Fehlt nur noch, dass die Medien Udes Postanschrift, seine Hobbys und Schuhgröße publik machen.

Besorgniserregend aber ist, dass der Fall „Ude“ keinesfalls ein Novum darstellt oder die absolute Ausnahme. In Zeiten dramatisch sinkender Auflagenzahlen bei den Zeitungen und dem knallharten Kampf um Leser auf dem Online-Markt sind journalistische Grundsätze anscheinend zunehmend weniger wert. Das ist kein gutes Zeichen für den Qualitätsjournalismus.

Gesetze und Richtlinien mit Füßen getreten

Dabei hätte ein kurzer Blick ins Grundgesetz genügt. Dort ist in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 vom Persönlichkeitsrecht die Rede. Und davon, dass der persönlichen Lebensbereich einer Person besonders sensibel und dementsprechend schutzbedürftig ist. Klingt spießig und staubtrocken, ist aber ungemein wichtig. Denn nur unter gewissen Umständen sind Eingriffe, gerade von den Medien, in diesen Bereich gerechtfertigt. Das gilt übrigens auch für Straftäter .Das sieht auch der Presserat so. Wörtlich heißt es dort in einem anderen Fall vor zwei Jahren: „Die Identität eines Straftäters ist grundsätzlich zu schützen. Nur in Ausnahmefällen darf die Identität eines mutmaßlichen Täters [und genau das ist Hermann Ude, Anmerkung: Käfer klotzt] in der Berichterstattung preisgegeben werden.
Dabei ist zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen.“ Abwägen??? Dieses Wort haben die Massenmedien im Fall „Ude“ mal schnell aus ihrem Vokabular gestrichen. Das sollten sie schleunigst wieder ändern, ansonsten drohen sie ihren Ruf zu verspielen. Und  vielen anderen Bürgern, die ins Visier der Justiz geraten sind, egal ob zurecht oder nicht, droht ein böses Erwachen.

 
 

Mittwoch, 11. September 2013

Eine Branche steht am Abgrund

Ich kaufe mir gleich einen Strick“, flüstere ich süffisant meinem Sitznachbarn zu. „Aber nur den günstigen, für die besseren fehlt das Geld.“ Anders als mit Galgenhumor ist die Situation nicht zu ertragen. Die Stimmung ist gedämpft beim Medienseminar der Bundeszentrale für politische Bildung für Nachwuchsjournalisten, geradezu bedrückt.
Wenig überraschend bei dem Titel der Veranstaltung: „Wer finanziert den Journalismus von morgen?“ Diese Frage ist derzeit die wohl wichtigste in der Branche, sie ist allgegenwärtig, sie brennt uns Journalisten unter den Nägeln. Und das gerade deshalb, weil es keine Antworten auf diese Frage gibt. Noch nicht jedenfalls.

Die Krise ist hausgemacht

Im schlimmsten Fall ist der Journalismus in einigen Jahren tot, sagt Michael Konken, Chef des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), wenn nicht bald ein Ruck durch die Gesellschaft gehe.  Aber wo soll der herkommen? Schließlich hat die Branche den Karren selber in den Dreck gezogen. Bislang kommt sie dort nicht wieder heraus.
Da zahlen Abonnenten Tag für Tag Geld für ein Produkt, für ihre Zeitung, die meistens qualitativ hochwertig ist. Gleichzeitig werden große Teile exakt dieses Produktes im Internet angeboten, für alle versteht sich. Und das zum Nulltarif. Und das seit fast zehn Jahren, bis es auch die Letzten gemerkt haben. Für die Nutzer ist das klasse, für die Journalisten ist das existenzgefährdend.

Der Journalismus droht zu verbluten


Also was tun? Eine Bezahlschranke, die Pay-Wall, einführen, sodass Artikel im Netz nur gegen Bezahlung zugänglich gemacht werden? Bringt nichts, zumindest gegenwärtig, weil nicht alle Nachrichtenanbieter mitziehen und die Leser ihre Informationen aus anderen Kanälen generieren. Sie sind zu lange verwöhnt worden von den Verlagen. Also was tun? Gute Frage. Alle tappen noch im Dunkeln bei der Suche nach Lösungen.

Darunter zu leiden haben die Journalisten. Egal, wo man sich in Deutschland umschaut, die Verlage stellen kaum noch Journalisten ein, unbefristet schon gar nicht, im Gegenteil: Sie bauen Stellen ab, ganze Redaktionen, ja Zeitungen, verschwinden von der Bildfläche. DJV-Chef Konken: „Die Zahl der freien Journalisten in Deutschland hat in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent zugenommen.“
Viele davon kämpfen ums nackte Überleben auf einem schwer ausrechenbaren Markt. Tag für Tag. Und diejenigen, die in den Redaktionen bleiben dürfen, sollen mit immer weniger Kollegen immer bessere Arbeit abliefern. Paradox! Also was tun? So genau weiß das derzeit niemand. Und genau das ist das Problem.

Sonntag, 19. Mai 2013

Campen für Fortgeschrittene

Camping-Urlaub ist nichts für Weicheier. Das ist mir spätestens am Wochenende wieder bewusst geworden. Aber ein unvergessliches Erlebnis war es dafür allemal. 

 Übernachtung in der Küche


„Ein Schlauchboot, ja ein Schlauchboot, das hätten wir wirklich gut gebrauchen können“, denke ich und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Dann wären wir wenigstens trockenen Fußes über den Campingplatz gekommen und hätten in Ruhe auf der Wiese um unsere Zelte herum Ausschau nach Fischen halten können. Ich muss schmunzeln, als mir diese Gedanken durch den Kopf schießen, während ich fast splitternackt in meinem Schlafsack im Aufenthaltsraum des Campingplatzes liege.
Nebenan, in der angrenzenden Küche, spült gerade ein anderer Camper sein Geschirr. Ich stelle mir gerade sein verdutztes Gesicht vor, dass er gehabt haben muss, als er die Küche betrat und dort vier Kerle in Schlafsäcken auf dem Boden liegend vorfand. Für mehr Personen reichte der Platz dort zum Schlafen nicht, daher übernachtete ich mit zwei weiteren Jungs im Aufenthaltsraum – richtigen Camper kann das natürlich nichts anhaben.

Aber wieso kam es eigentlich soweit? Was war passiert?

„Wieso immer zu Hause feiern?“, dachte sich ein sehr guter Kumpel von mir, als er überlegte, wie er seinen Geburtstag angemessen nachfeiern sollte. Also fuhren wir zu neunt zum Zelten an die Nordsee nach Krummhörn. Pünktlich zum Pfingstwochenende ist dort der Bär los, macht uns aber nix.
Ratz fatz haben wir die vier Zelte, darunter ein fast 20 Quadratmeter großes  Gemeinschaftszelt, aufgebaut. Von dem prognostizierten Regen für den Abend hatten wir gehört, aber echte Camper schreckt so eine Wettervorhersage natürlich nicht ab. Tatsächlich prasseln ab 22.30 Uhr monsunartige Regenfälle nieder, die Temperatur geht schlagartig in den Keller, keine zehn Grad sind es. Aber echten Campern macht das natürlich nichts aus.
Der Regen ist dermaßen laut, dass man schon brüllen muss, um eine normale Unterhaltung zu führen. Also machen wir uns in den Aufenthaltsraum auf, spielen dort Poker. Ohne zu wissen, wie das Wetter bei uns ist, schickt mir meine Schwester eine Kurznachricht aufs Handy. „In Hannover ist gerade Weltuntergangswetter, so schlimm habe ich es lange nicht mehr erlebt.“ „Wie gut, dass es bei uns nicht ganz so schlimm ist“, denke ich. Aber auch nur für einige Minuten. Dann hat unser Geburtstagskind beim Pokern als Erster verloren und verlässt den Aufenthaltsraum in Richtung Zelt.
Kaum ist er verschwunden, da klingelt bei einem das Handy. Er sagt sekundenlang nichts, starrt wie versteinert an die Wand, seine Augen weit aufgerissen. „WAAAAS??? Das kann doch nicht sein, wir kommen sofort!“ Wieder ein kurzer Moment der Stille. Dann: „Das Zelt ist komplett geflutet, alles steht unter Wasser.“ Wie von der Tarantel gestochen, springen wir alle synchron auf und sprinten in Richtung Zeltplatz, ohne Taschenlampen, sehen tun wir also fast nichts, denn Laternen stehen nirgends.

Wasser zum Abwinken

Macht aber nichts, denn schon in Zeltnähe stehen wir mehr als knöcheltief im Wasser, ein herrliches Gefühl. „Dann brauche ich mir wenigstens nicht mehr die Füße zu waschen“, denke ich. Duschen auch nicht, denn es gießt ununterbrochen in Strömen. Mindestens zwei der vier Zelte haben sich selbstständig in ein Übungsbecken für Wassergymnastik verwandelt.
Wir retten die nötigsten Sachen aus den Zelten und beschließen, im Aufenthaltsraum zu übernachten. Aber nicht alle: Zwei richtig Hartgesottene wollen freiwillig im Zelt nächtigen, da ihr Schlafgemach noch nicht zum Aquarium umfunktioniert wurde. Richtige Camper schrecken so ein paar Tropfen nicht ab.

Schaufel schafft Abhilfe

Ich bin übrigens keiner der beiden und gebe zu, kein richtiger Camper zu sein. Die Klamotten in meiner Tasche sind alle durchnässt, daher schlafe ich fast nackt im von innen trocken gebliebenen Schlafsack. Diesen Luxus kann nicht jeder von den Jungs genießen. Aber ihr ahnt schon: Richtigen Campern macht das natürlich nichts aus.
Also machen wir uns am nächsten Morgen an die Arbeit, um die Seenplatte um unsere Zelte herum etwas auszutrocknen. Für zwei Euro kaufen wir uns eine kleine Sandschaufel bei den Campingplatz-Betreibern und heben einen kleinen Graben im Gemeinschaftszelt aus, damit das Wasser langsam abfließen kann, der Rest wird herausgeschaufelt. Über 100 Liter Wasser hatten sich im Gemeinschaftszelt angesammelt . „Wenigstens regnet es seit 3 Uhr nicht mehr so heftig“, sagt einer der Jungs. Und selbst wenn, dann hätten wir uns das Duschen gespart. Richtigen Campern macht das eben nichts aus, richtige Camper brauchen auch kein Schlauchboot.