Was für die einen ein ultimatives Freizeit-Erlebnis darstellt, ist für andere harte Arbeit: Jedes Spiel wird von zahlreichen Polizeibeamten begleitet. Und das nicht erst, seit verschärfte Sicherheitskonzepte intensiv diskutiert werden.
Für die Polizisten ist es jedes Mal ein ungewisses Abenteuer: Verläuft der Einsatz ruhig und unspektakulär? Gibt es gewalttägige Ausschreitungen, bei denen die Beamten teilweise ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, um Ordnung zu schaffen?
Wie nehmen die Polizisten solche Einsätze überhaupt war? Ein Betroffener plaudert aus dem Nähkästchen.
Jedes Mal in Sorge um die eigene Gesundheit
In hohem Bogen wirbelt die Glasflasche
durch die Luft. Lukas*, Bereitschaftspolizist, sieht sie direkt auf
sich zukommen. Doch er bleibt wie angewurzelt stehen. Kerzengerade.
Den Blick starr nach vorn gerichtet. Keine Ausweichbewegung. Nicht
mal ein kleines Zucken. Lukas steht so steif da wie eine
Schaufensterpuppe.
Er hat Glück; das Geschoss segelt über ihn
hinweg und zerschellt auf der Straße. Wenig später fliegt die
nächste Flasche in seine Richtung. Wieder verfehlt. Diese Szene
wiederholt sich einige Male. Lukas bleibt unverletzt. Und atmet
danach tief durch.
Vorbereiten kann man sich auf solche Situationen
nicht, sagt er. „Ich kann dann bloß hoffen, dass der Helm die
Wucht des Aufpralls aushält.“
Für ihn sind Ereignisse wie diese
nichts Besonderes. Aber normal sind sie für ihn auch nicht. „Ein
bisschen mulmig ist mir bei solchen Aktionen schon“, berichtet der
Mittzwanziger. Denn: „Du darfst und willst dich dann nicht
wegducken, sonst bekommt der Hintermann die Flasche ab. Und der sieht
sie im Gegensatz zu mir nicht mal kommen.“
Das „Doppelleben“ des Polizisten
Von außen sieht es aus, als könne
Lukas bei seinem Einsatz nichts aus der Ruhe bringen. Wie ein
mächtiger Fels wirkt er. Unbeweglich und emotionslos, steif und
kalt.
Doch unter der Uniform ist Lukas
verletzbar. Ein ganz normaler Mensch mit Gefühlen.
„Nach einem
Einsatz will ich wohlbehalten wieder nach Hause zu meiner Freundin
kommen und nicht verwundet im Krankenhaus aufwachen.“
Die meiste Zeit des Tages über wirkt
Lukas für seine Umgebung wie ein junger Mann, wie sie tausendfach in
den Städten herumlaufen: Jung, lebenslustig, aufgeschlossen.
Doch
das ändert sich schlagartig, quasi von einer Sekunde auf die andere,
sobald Lukas seine Dienstkleidung überstreift.
Dann wird aus dem
symphatischen Mann in den Augen etlicher Fußball-Fans ein Gegner.
Ein Hassobjekt. Ein Feind in Uniform. Lukas weiß das.
Er
sagt: „Mir fällt kein Beispiel ein, wo sich Menschen untereinander
so schnell gegen etwas solidarisieren, wie gegen uniformierte
Polizisten.“ Angst macht es ihm nicht. Aber behagen tut es ihm
auch nicht.
„Was geht in diesen Menschen vor,
die grundlos und gezielt jemanden verletzen, den sie gar nicht
kennen? Etliche von denen sind vermutlich in meinem Alter, vielleicht
haben wir sogar dieselben Hobbys. Wir könnten theoretisch Freunde
sein.“ Praktisch aber nicht.
Da sind Lukas und seine Kollegen
während ihrer Dienstzeit bloß der Feind in Uniform. Eine kollektive
Zielscheibe.
Der Ausbruch aus dem Alltag
Beschimpfungen wie „Scheiß Bullen“
oder „Verpisst euch, ihr Bullenschweine“ müssen sie sich
regelmäßig anhören. Dagegen sind sie machtlos.
„Meistens kommt
sowas aus einer Gruppe heraus und kann keiner einzelnen Person
zugeordnet werden. Wir fühlen uns davon schon gar nicht mehr
beleidigt.“
Spuckattacken sind ebenfalls nichts Ungewöhnliches für
ihn. Eher die Tagesordnung, der Ist-Zustand. Lukas
ist eben der Feind in Uniform.
„Gewaltbereit ist eine Minderheit von
rund zehn Prozent der Besucher. Aber es werden stetig mehr. Diese
Randalierer kommen aus allen sozialen Schichten: Vom
Versicherungskaufmann bis zum Verkäufer im Supermarkt ist da alles
vertreten. Die wollen am Wochenende mal richtig einen drauf machen.
Aus dem tristen Alltag entfliehen, damit sie zu Hause was zum Prahlen
haben“, so Lukas.
Er und seine Kollegen dienen dann als willkommene
Angriffsfläche, als Ventil, um Druck abzulassen. Lukas weiß das. Er
kann damit umgehen.
Andere
Berufseinsteiger sprühen in ihren Jobs nur so vor Enthusiasmus,
Einsatzbereitschaft und Vorfreude für ihre Aufgaben. Nicht so Lukas.
Die Schilderungen seiner Tätigkeiten klingen ungemein distanziert,
analytisch, nüchtern, ja geradezu ernüchternd. Fast schon
beängstigend gleichgültig. Es scheint so, als sei er schnell auf
dem Boden der Tatsachen gelandet, als habe er sich mit den Zuständen
rund um die Stadien abgefunden.
Das ist bitter, aber es sagt eine
Menge über unser gesellschaftliches Zusammenleben aus.
* Name geändert
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