Aber wie wird man
eigentlich Journalist?
Der Königsweg, der von den meisten beschritten wird, sieht
wie folgt aus: Praktikum, freie Mitarbeit, Studium, Volontariat (so lautet die
meist eineinhalb- bis zweijährige Ausbildung zum Redakteur).
Doch es muss nicht immer dieser klassische Weg sein, um ein
guter Journalist zu werden. Gerade dieses Berufsfeld ist offen für Quereinsteiger
jeder Art, wie ich in einer Serie zeigen will. Heute Teil 1: Harald Klipp,
Lokalsportredakteur beim Ostholsteiner Anzeiger, Eutin.
Sport hält bekanntlich jung, sowohl Körper als auch Geist. Den lebenden Beweis dafür tritt Harald Klipp an, jeden Tag aufs Neue. Jahrzehntelang hat er Fußball gespielt, als Torwart lief er jahrelang auf Landesebene auf, eine Zeitung widmete ihm einst mit den Titel „Der Teufelskerl zwischen den Pfosten.“
Jetzt arbeitet er als Lokalsportredakteur - der Sport lässt
ihn nicht mehr los.
Im Sommer wird er 56 Jahre alt, gehört aber noch lange nicht
zum alten Eisen.
Zu frisch ist sein Denken dafür, zu innovativ seine Ideen,
wie die moderne Zeitung aussehen sollte, zu selbstkritisch und offen für Kritik
von außen ist er – einfach Harald eben, der Teufelskerl. Er hat diesen
unbedingten Willen, den Killerinstinkt für eine gute Story.
Elite-Ausbildung? Fehlanzeige!
In der Redaktion ist er als Einziger für den Lokalsport
zuständig, vor sieben Jahren
wurde er von einer unabhängigen Fachjury unter die besten zehn Lokalredakteure
bundesweit gewählt, als Lokalsportjournalist ist er ebenfalls dekoriert. Wer
nun glaubt, Harald hätte eine Elite-Ausbildung genossen, liegt vollkommen
daneben.
Ausgebildet zum Sportjournalisten wurde Harald nie,
geschweige denn überhaupt zum Journalisten.
Größter Feind ist der Stillstand
Sowas nennt man wohl Naturtalent. Oder Autodidakt. Denn
Harald hat sich all sein Wissen selber angeeignet, hat zahllose Fachbücher gewälzt,
Fortbildungen besucht, sich von ganz unten allein hochgearbeitet. Dies zeichnet
ihn noch heute aus.
Harald hat viele Kontakte und Verbindungen zu Kollegen
geknüpft, die er während seiner Fortbildungen kennengelernt hat. An solchen
nimmt er auch heute noch teil, etwa dem renommierten Forum für
Lokaljournalisten.
Seine größter Feind ist der Stillstand: Bloß nicht auf der
Stelle stehen bleiben, immer auf der Höhe der Zeit sein. In sozialen Netzwerken
fühlt er sich unheimlich wohl, nutzt sie gnadenlos effektiv für berufliche
Zwecke.
Er hat auch kein Problem damit bei Fortbildungen zu diesem
Thema nur mit Journalisten in einem Raum zu sitzen, die seine Kinder sein
könnten.
Beruflicher Weg schien vorbestimmt
Aber bis er zu dem Journalist wurde, der er heute ist, war
es ein langer Weg: Mit der Fachhochschulreife verließ er die Schule. Journalist
zu werden kam ihm damals nicht mal im Traum in den Sinn.
Stattdessen sollte er die Autowerkstatt seines Vaters
übernehmen, sein Weg schien schon vorbestimmt zu sein. Also erst mal ein halbes
Jahr Praktikum in der Werkstatt, bevor sein Studium für Elektrotechnik in
Lübeck begann.
Nach zwei Semestern kam der Knacks. Harald brach das Studium
ab, merkte, dass der Beruf doch nix für ihn war.
Aber was nun? Harald ging in sich, hörte auf seine
Interessen – und schrieb sich an der
Technischen Universität Braunschweig für Sozialpädagogik ein.
Aber wieder war es nicht die richtige Wahl für ihn.
„Nach fünf Semestern habe ich abgebrochen, weil ich den Sinn
bei dem Fach nicht erkannte“, sagt Harald. Es klingt, als sei er im Nachhinein
froh darüber, wie es gelaufen ist. Vielleicht wäre er ansonsten nie bei der
Zeitung gelandet.
Nach dem zweiten abgebrochenen Studium hielt er sich zwei
Jahre lang mit einem Bürojob bei einem Steuerberater über Wasser.
Bis das Anzeigenblatt in Haralds Heimat einen freien
Mitarbeiter suchte. Harald fackelte nicht lange, bekam die Stelle und arbeitete
sechs Monate lang für das Blatt. Danach wechselte er als freier Mitarbeiter zu
den Lübecker Nachrichten (LN), sechs Jahre lang machte er das. Sechs Jahre lang
arbeitete er nahezu jeden Tag, von Montag bis Sonntag, oft zehn Stunden täglich
und mehr.
Fast jedes Wochenende im Einsatz
„Das machte mir unheimlich viel Spaß, daher habe ich es
nicht wirklich als Arbeit empfunden“, sagte er. Das journalistische Schreiben,
und alles was dazu gehört brachte er sich in dieser Zeit allein bei.
Also lebt er nur für die Arbeit? Wieder falsch: Ein Leben
neben dem Beruf gab es für ihn ja auch noch, Fußball und seine Frau, seine
große Liebe, mit der er heute noch verheiratet ist.
Die viele Arbeit zahlte sich aus: Harald bekam eine feste
Redakteursstelle bei den LN, wechselte nach internen Querelen vor knapp 21
Jahren zum Ostholsteiner Anzeiger nach Eutin, als dort ein Lokalsportjournalist
gesucht wurde, es ist genau sein Ding, seine Leidenschaft.
Dafür muss er an 50 der 52 Wochenenden im Jahr arbeiten, so
auch an Ostern. Sein Wochenende hat er mittwochs und donnerstags. Für seine
Familie, seine Frau und die beiden Töchter, ist das normal. „Sie kennen das
nicht anders“, sagt Harald gelassen. Für ihn ist die Wochenend-Arbeit Teil
seines Jobs, er würde sich nie darüber beschweren. Ein echter Teufelskerl eben, mit göttlicher Leidenschaft.
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