Grübelnd brüte ich im Restaurant über der Speisekarte. Immer wieder bleibt mein Blick bei den Pizzen hängen. Vor meinem inneren Auge stelle ich mir den duftenden und bunt belegten Hefeteig vor, der mir frisch am Tisch serviert wird.
Wenn es nach meinem Bauch geht, ist die Entscheidung über mein Abendessen längst gefällt. Blöd nur, dass seit Wochen der Kopf das letzte Wort hat – und so gibt es einen Fischteller mit Blattsalat, Spiegelei und Bratkartoffeln.
Während sich meine Freunde zum Nachtisch ein Eis gönnen und ein Bier nach dem anderen leeren, bleibe ich hart. Eis gibt es an dem Abend nicht und Alkohol schon gar nicht.
Das Lauf-Experiment
Warum ich mir diese Tortur antue? Das
ganze ist Teil eines Experiments. Und das lautet: Ist es möglich,
als ganz „normaler“ Mensch mit einem Fulltime-Job nebenher
Leistungssport zu betreiben und den Körper an die maximale
Leistungsgrenze zu treiben? Wo liegt die überhaupt bei mir? Und wie
fühlt sich das dann an?
Klingt verrückt, ist es im Übrigen
auch. Bleibt bloß noch die Frage, was mich dazu angestachelt hat.
Habe ich bloß zu viel Langeweile während meiner Freizeit in Eutin?
Oder füllt mich mein Volontariat plus Studium nicht genug aus? Da
kann sich jetzt jeder von euch seine eigenen Gedanken machen.
Wie dem auch sei, vor zwei Monaten zog
ich mir einen ambitionierten Trainingsplan aus dem Internet. Sechs-
bis siebenmal Training die Woche, davon zwei Tempoeinheiten, für
eine Halbmarathon-Zeit von unter 1:30 Stunde – und das zehn Wochen
lang!
„Das ist ein Brett, aber das schaffst du. Wo ein Wille ist,
da ist auch ein Weg“, sagte ich mir.
Unter 1:30 Stunde – das las
sich gut, meine Augen leuchteten und ich sah vor meinem geistigen
Auge schon den Asphalt brennen, über den ich hinwegfege.
In meinem
Übermut verordnete ich mir dazu dreimal die Woche Athletiktraining
zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur, damit ich nicht aussehe wie ein
Strich in der Landschaft mit Elefantenschenkeln. Die Ernährung
stellte ich mir um (also nicht jeden Tag Fast Food und schaufelweise
Süßigkeiten) und legte mir ein striktes Alkoholverbot für die Zeit
auf. Klingt gut in der Theorie, oder?
Blöd nur, dass die Praxis meist anders
aussieht.
Asketisches Leben: Trainieren, Arbeiten, Schlafen
Trotzdem gelang es mir bislang, das Programm konsequent durchzuziehen. Mittlerweile bin ich in Woche 8 angelangt. Und plötzlich jagen mich andere Probleme: Ich bin fit wie ein Turnschuh (sagen mir jedenfalls die Trainingsergebnisse), mein Akku fühlt sich aber an, als müsse er mal wieder dringend an eine Steckdose angeschlossen werden – bloß ist eine solche nirgends zu sehen.
Abgesehen davon ist mein Leben in den letzten Wochen auffällig eintönig geworden. Es besteht fast nur noch aus Trainieren, Arbeiten, Schlafen (auch in der Reihenfolge). Stichwort: Und täglich grüßt das Murmeltier.
Das intensive Training ist wie ein
zweiter Fulltime-Job, jedenfalls zehrt es ähnlich an meinen Kräften.
Wenn ich morgens in der Redaktion aufschlage, fühlt es sich an, als
hätte ich schon den halben Tag gearbeitet und denke schon in
Richtung Feierabend. Dumm nur, dass der meistens noch gefühlte
Ewigkeiten entfernt liegt.
Das Ende rückt näher
Kein Wunder also, dass ich mir einen
Tag im Kalender dick und fett angestrichen habe, den 25. Mai. Das ist
der Tag, an dem mein Trainingsplan endet.
Das ist der Tag, an dem ich
den Halbmarathon laufen will, auf den ich seit zwei Monaten
hinarbeite. Das ist der Tag, an dem ich wieder „normal“ werde.
Ich sehe mich dann abends in einem Restaurant sitzen, eine große
Pizza essend, anschließend gibt es ein Eis und ein Bier. Oder zwei.
Bis dahin heißt es durchhalten. Für mich mit meinem Trainingsplan
und für euch mit dem Warten auf den nächsten Blog-Eintrag.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen