Sonntag, 19. Mai 2013

Campen für Fortgeschrittene

Camping-Urlaub ist nichts für Weicheier. Das ist mir spätestens am Wochenende wieder bewusst geworden. Aber ein unvergessliches Erlebnis war es dafür allemal. 

 Übernachtung in der Küche


„Ein Schlauchboot, ja ein Schlauchboot, das hätten wir wirklich gut gebrauchen können“, denke ich und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Dann wären wir wenigstens trockenen Fußes über den Campingplatz gekommen und hätten in Ruhe auf der Wiese um unsere Zelte herum Ausschau nach Fischen halten können. Ich muss schmunzeln, als mir diese Gedanken durch den Kopf schießen, während ich fast splitternackt in meinem Schlafsack im Aufenthaltsraum des Campingplatzes liege.
Nebenan, in der angrenzenden Küche, spült gerade ein anderer Camper sein Geschirr. Ich stelle mir gerade sein verdutztes Gesicht vor, dass er gehabt haben muss, als er die Küche betrat und dort vier Kerle in Schlafsäcken auf dem Boden liegend vorfand. Für mehr Personen reichte der Platz dort zum Schlafen nicht, daher übernachtete ich mit zwei weiteren Jungs im Aufenthaltsraum – richtigen Camper kann das natürlich nichts anhaben.

Aber wieso kam es eigentlich soweit? Was war passiert?

„Wieso immer zu Hause feiern?“, dachte sich ein sehr guter Kumpel von mir, als er überlegte, wie er seinen Geburtstag angemessen nachfeiern sollte. Also fuhren wir zu neunt zum Zelten an die Nordsee nach Krummhörn. Pünktlich zum Pfingstwochenende ist dort der Bär los, macht uns aber nix.
Ratz fatz haben wir die vier Zelte, darunter ein fast 20 Quadratmeter großes  Gemeinschaftszelt, aufgebaut. Von dem prognostizierten Regen für den Abend hatten wir gehört, aber echte Camper schreckt so eine Wettervorhersage natürlich nicht ab. Tatsächlich prasseln ab 22.30 Uhr monsunartige Regenfälle nieder, die Temperatur geht schlagartig in den Keller, keine zehn Grad sind es. Aber echten Campern macht das natürlich nichts aus.
Der Regen ist dermaßen laut, dass man schon brüllen muss, um eine normale Unterhaltung zu führen. Also machen wir uns in den Aufenthaltsraum auf, spielen dort Poker. Ohne zu wissen, wie das Wetter bei uns ist, schickt mir meine Schwester eine Kurznachricht aufs Handy. „In Hannover ist gerade Weltuntergangswetter, so schlimm habe ich es lange nicht mehr erlebt.“ „Wie gut, dass es bei uns nicht ganz so schlimm ist“, denke ich. Aber auch nur für einige Minuten. Dann hat unser Geburtstagskind beim Pokern als Erster verloren und verlässt den Aufenthaltsraum in Richtung Zelt.
Kaum ist er verschwunden, da klingelt bei einem das Handy. Er sagt sekundenlang nichts, starrt wie versteinert an die Wand, seine Augen weit aufgerissen. „WAAAAS??? Das kann doch nicht sein, wir kommen sofort!“ Wieder ein kurzer Moment der Stille. Dann: „Das Zelt ist komplett geflutet, alles steht unter Wasser.“ Wie von der Tarantel gestochen, springen wir alle synchron auf und sprinten in Richtung Zeltplatz, ohne Taschenlampen, sehen tun wir also fast nichts, denn Laternen stehen nirgends.

Wasser zum Abwinken

Macht aber nichts, denn schon in Zeltnähe stehen wir mehr als knöcheltief im Wasser, ein herrliches Gefühl. „Dann brauche ich mir wenigstens nicht mehr die Füße zu waschen“, denke ich. Duschen auch nicht, denn es gießt ununterbrochen in Strömen. Mindestens zwei der vier Zelte haben sich selbstständig in ein Übungsbecken für Wassergymnastik verwandelt.
Wir retten die nötigsten Sachen aus den Zelten und beschließen, im Aufenthaltsraum zu übernachten. Aber nicht alle: Zwei richtig Hartgesottene wollen freiwillig im Zelt nächtigen, da ihr Schlafgemach noch nicht zum Aquarium umfunktioniert wurde. Richtige Camper schrecken so ein paar Tropfen nicht ab.

Schaufel schafft Abhilfe

Ich bin übrigens keiner der beiden und gebe zu, kein richtiger Camper zu sein. Die Klamotten in meiner Tasche sind alle durchnässt, daher schlafe ich fast nackt im von innen trocken gebliebenen Schlafsack. Diesen Luxus kann nicht jeder von den Jungs genießen. Aber ihr ahnt schon: Richtigen Campern macht das natürlich nichts aus.
Also machen wir uns am nächsten Morgen an die Arbeit, um die Seenplatte um unsere Zelte herum etwas auszutrocknen. Für zwei Euro kaufen wir uns eine kleine Sandschaufel bei den Campingplatz-Betreibern und heben einen kleinen Graben im Gemeinschaftszelt aus, damit das Wasser langsam abfließen kann, der Rest wird herausgeschaufelt. Über 100 Liter Wasser hatten sich im Gemeinschaftszelt angesammelt . „Wenigstens regnet es seit 3 Uhr nicht mehr so heftig“, sagt einer der Jungs. Und selbst wenn, dann hätten wir uns das Duschen gespart. Richtigen Campern macht das eben nichts aus, richtige Camper brauchen auch kein Schlauchboot.

Donnerstag, 9. Mai 2013

Ohne Schweiß kein Preis


Grübelnd brüte ich im Restaurant über der Speisekarte. Immer wieder bleibt mein Blick bei den Pizzen hängen. Vor meinem inneren Auge stelle ich mir den duftenden und bunt belegten Hefeteig vor, der mir frisch am Tisch serviert wird.
Wenn es nach meinem Bauch geht, ist die Entscheidung über mein Abendessen längst gefällt. Blöd nur, dass seit Wochen der Kopf das letzte Wort hat – und so gibt es einen Fischteller mit Blattsalat, Spiegelei und Bratkartoffeln.
Während sich meine Freunde zum Nachtisch ein Eis gönnen und ein Bier nach dem anderen leeren, bleibe ich hart. Eis gibt es an dem Abend nicht und Alkohol schon gar nicht.


Das Lauf-Experiment

Warum ich mir diese Tortur antue? Das ganze ist Teil eines Experiments. Und das lautet: Ist es möglich, als ganz „normaler“ Mensch mit einem Fulltime-Job nebenher Leistungssport zu betreiben und den Körper an die maximale Leistungsgrenze zu treiben? Wo liegt die überhaupt bei mir? Und wie fühlt sich das dann an?

Klingt verrückt, ist es im Übrigen auch. Bleibt bloß noch die Frage, was mich dazu angestachelt hat. Habe ich bloß zu viel Langeweile während meiner Freizeit in Eutin? Oder füllt mich mein Volontariat plus Studium nicht genug aus? Da kann sich jetzt jeder von euch seine eigenen Gedanken machen.

Wie dem auch sei, vor zwei Monaten zog ich mir einen ambitionierten Trainingsplan aus dem Internet. Sechs- bis siebenmal Training die Woche, davon zwei Tempoeinheiten, für eine Halbmarathon-Zeit von unter 1:30 Stunde – und das zehn Wochen lang!
„Das ist ein Brett, aber das schaffst du. Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, sagte ich mir.
Unter 1:30 Stunde – das las sich gut, meine Augen leuchteten und ich sah vor meinem geistigen Auge schon den Asphalt brennen, über den ich hinwegfege.
In meinem Übermut verordnete ich mir dazu dreimal die Woche Athletiktraining zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur, damit ich nicht aussehe wie ein Strich in der Landschaft mit Elefantenschenkeln. Die Ernährung stellte ich mir um (also nicht jeden Tag Fast Food und schaufelweise Süßigkeiten) und legte mir ein striktes Alkoholverbot für die Zeit auf. Klingt gut in der Theorie, oder?
Blöd nur, dass die Praxis meist anders aussieht.
 

Asketisches Leben: Trainieren, Arbeiten, Schlafen


Trotzdem gelang es mir bislang, das Programm konsequent durchzuziehen. Mittlerweile bin ich in Woche 8 angelangt. Und plötzlich jagen mich andere Probleme: Ich bin fit wie ein Turnschuh (sagen mir jedenfalls die Trainingsergebnisse), mein Akku fühlt sich aber an, als müsse er mal wieder dringend an eine Steckdose angeschlossen werden – bloß ist eine solche nirgends zu sehen.

Abgesehen davon ist mein Leben in den letzten Wochen auffällig eintönig geworden. Es besteht fast nur noch aus Trainieren, Arbeiten, Schlafen (auch in der Reihenfolge). Stichwort: Und täglich grüßt das Murmeltier.

Das intensive Training ist wie ein zweiter Fulltime-Job, jedenfalls zehrt es ähnlich an meinen Kräften. Wenn ich morgens in der Redaktion aufschlage, fühlt es sich an, als hätte ich schon den halben Tag gearbeitet und denke schon in Richtung Feierabend. Dumm nur, dass der meistens noch gefühlte Ewigkeiten entfernt liegt.

Das Ende rückt näher


Kein Wunder also, dass ich mir einen Tag im Kalender dick und fett angestrichen habe, den 25. Mai. Das ist der Tag, an dem mein Trainingsplan endet.
Das ist der Tag, an dem ich den Halbmarathon laufen will, auf den ich seit zwei Monaten hinarbeite. Das ist der Tag, an dem ich wieder „normal“ werde.
Ich sehe mich dann abends in einem Restaurant sitzen, eine große Pizza essend, anschließend gibt es ein Eis und ein Bier. Oder zwei. Bis dahin heißt es durchhalten. Für mich mit meinem Trainingsplan und für euch mit dem Warten auf den nächsten Blog-Eintrag.