Mittwoch, 27. November 2013

Lügen haben kurze Beine

Ja, ich weiß, allein schon für diese Überschrift müsste ich fünf Euro ins Phrasenschwein einzahlen. Aber in diesem Fall passte der Spruch einfach wie die Faust aufs Auge - weil die Beine besonders kurz waren.  

Woran erkennt man einen weisen Mann? Richtig, an seinem biblischen Alter, seinen grauen-weißen Haaren und seinen neunmalklugen Sprüchen. Ersteres trifft auf meinen Chef zwar (noch) nicht zu, aber was sein Haar angeht, gibt es selbst unter Farbenblinden keine zwei Meinungen.
Auch am Weisheits-Niveau seiner Sprüche gibt es nichts zu deuteln . Aus seinem Mund stammt der sinngemäße Satz „Termin-Journalismus ist nicht ganz ungefährlich, weil uns Journalisten oft eine Wahrheit vorgegaukelt wird.“ Und Recht hat der gute Mann.

Die Mär vom spendablen Mäzen

Diese Erfahrung habe auch ich kürzlich gemacht: Da hat sich der Senior-Chef eines großen deutschen Unternehmens quasi zum Mäzen eines ganzen Bundeslandes aufgeschwungen und spendierte meiner neuen Heimatstadt eine 15 Meter hohe Nordmanntanne.
Die darf während der Weihnachtszeit den Marktplatz zieren. Und weil es dem romantischen Bild des spendablen Mäzens entspricht,  stammt dieses Prachtexemplar von Tanne natürlich aus dessen naturbelassenem Forst. Das jedenfalls impften mir sein Pressesprecher und dessen Gehilfe während des Baumaufbaus wie einem Demenzkranken wieder und wieder ein.
Und dies mit so viel überschwänglichem Lob und schmalzigem Kitsch versehen, dass es für mindestens zwei Rosamunde-Pilcher-Filme reichen würde. Immerhin weiß ich seitdem, dass Männer auch multiple Orgasmen bekommen können – und das ganz ohne Sex.
 

Wahrheit währt am längsten

Blöd nur, dass der Höhepunkt offenbar zu früh kam: Denn am Nachmittag ruft ein Mann (der erfrischend  nüchtern-sachlich klang) in der Redaktion an und wütet wie die Axt im Walde in der rosaroten Nordmanntannen-Welt des erwähnten Pressesprechers.
Mit anderen Worten: Er wolle mitteilen, dass die Tanne gar nicht aus dem Mäzen-Forst stammt, sondern aus seinem Garten. Er habe aber dem Mäzen erlaubt, den Baum zu fällen, um ihn als großzügige eigene Spende meiner neuen Heimatstadt zu vermachen.
Interessant…  Auf diesen Fauxpas angesprochen, weiß der Pressesprecher von nichts. Welch Überraschung!
Sein Gehilfe, der beim Baumaufstellen in ähnlicher Manier von der Prachttanne schwärmte, ist am Telefon geschwätziger: Merklich bedröppelt räumt er ohne Umschweife ein, dass die Tanne tatsächlich aus dem Garten des Anrufers stammt. So was aber auch.
Und es kommt noch besser: Keine fünf Minuten später ruft er mich an: „Mir ist da noch etwa eingefallen…“ Aha!
Keine fünf Minuten später ruft er ein zweites Mal an: „Wo ich schon dabei bin, will ich doch die ganze Wahrheit erzählen.“ Wird ja immer besser.
Ende vom Lied: Ich darf den ganzen Artikel an verschiedenen Stellen überarbeiten, er gleicht danach einem Flickenteppich. Das ist ärgerlich, aber dafür entsprechen nun alle Infos (hoffentlich) der Wahrheit. Und nicht nur der Wahrheit, die mir und den Lesern vorgegaukelt werden sollte. 

Montag, 18. November 2013

Aus dem Abseits geholt

Herzlichen Glückwunsch, Sport 1! Seit 18 Jahren läuft er bei dem Fernsehsender einmal wöchentlich, der Fußball-Talk „Doppelpass“. Am Sonntag wurde die 750. Folge ausgestrahlt.

Bemerkenswert für eine Sendung, die an Fußpilz erinnert: Beides ist plötzlich da und keiner weiß warum. Beide sind lästig und man ist froh, wenn es vorbei ist. Aber was wäre (Fußball-) Deutschland ohne „Doppelpass“?

Jedenfalls um einige Arbeitslose reicher. Denn seit 18 Jahren bietet Sport 1 (vormals DSF) frustrierten Bundesliga-Auslaufmodellen, die mit ihrer Freizeit nichts anzufangen wissen, wieder einen Sinn im Leben.

Aufbauhilfe für gescheiterte Sportlerpersönlichkeiten


So wie Lothar Matthäus, der den Übergang vom Fußball zum Taschenbillard nahtlos gemeistert hat, aber keine paarungswilligen Heranwachsenden mehr ausfindig machen kann (dem demographischen Wandel sei Dank). Oder Thomas Strunz, dem plötzlich die eigene Frau davongelaufen ist (Stefan Effenberg sei Dank).

Wie gut, dass solch erschütternden Schicksale den Wohlfahrtssender Sport 1 auf den Plan gerufen haben, mit „Doppelpass“ einen Abenteuer-Spielplatz in geschützter Atmosphäre anzubieten. Unter Aufsicht vom solariumverbrannten Falten-Opa Jörg Wontorra, mit dem sich die abgehalfterten Sportler nach Herzenslust austoben können. Wontorra, der moderne Seelenklempner – ein Erfolgsmodell.

Blöd nur, dass Sport 1 dieses Sendeformat bislang nur für den Fußball anbietet. Denn sonst würde Boris Becker sicher nicht mehr mit Fliegenklatschen an den Ohren durch die TV-Landschaft torkeln.